Vom Voyeurismus und Exhibitionismus des Fotografieren

Seit der ersten Fotografie um 1822 von Joseph Nicéphore Niépce, der es mit seinem Verfahren erstmals schaffte ein Portrait auf einer Asphalt beschichteten Zinnplatte zu bannen, ist es mit dieser Kunstform weit her gekommen.

In der heutigen Zeit führt fast jede(r) mindestens eine Handy Kamera mit sich herum. Diese ist natürlich für jede Lebenssituation stets griffbereit. Damit alles fotografisch dokumentiert werden kann. Die peinlichen, künstlerischen oder emotionalen Momente des Leben. 

Die Fotos sind sofort digital verfügbar und so werden diese auch für jedermann inflationär in den Umlauf gebracht.

In den Sozialen Netzwerken tummeln sich die Bilder jeglicher Lebensereignisse, ob es das Essen von gestern Abend war, der peinliche Ausrutscher eines Bekannten, die Urlaubsbilder im Stundentakt, das Spiegel Selfie einer halbnackte Magersüchtigen und natürlich die Katzenbilder nicht zu vergessen. Ganz besonders die Katzenbilder. Denn für diese ist bekanntlich das Internet erfunden worden. Ein jeder hat das Bedürfnis sich den anderen mitzuteilen. 

Lange vorbei sind die Zeiten, wo jedes Bild von einer 36er Filmrolle wohl bedacht war. Jede Entwicklung kostete Geld und so wurden nur die Besten der Fotos zur Entwicklung gegeben, um diese dann mühsam in Fotoalben und Dia-Magazinen zu organisieren.

Später wurden Freunde und Bekannten zu einem Dia Abend mit dem Thema „unser letzter Urlaub“ eingeladen. Natürlich nicht ohne einer feucht fröhlichen Verköstigung der jeweiligen Auswahl des Alkohols der Region. Und es gab komischerweise immer viel Alkohol in den Regionen, in der wir Urlaub gemacht haben. 

Ich erinnere mich noch gut daran, wie mein Vater dann zu jedem Bild eine Geschichte zu erzählen wusste. Ob es die Freunde interessierte oder nicht. Schließlich gab es ja noch den Alkohol der Region. Die Bilder wurden nur im kleinen, privaten Kreis gezeigt. Das war zwar oft nicht minder peinlich, aber es blieb überschaubar.

Heutzutage postet jeder seine Bilder in den Sozialen Netzwerken, ob es jemand interessiert oder nicht. Die Bilder bleiben dabei oft nicht innerhalb der privaten Kreise. Werden geteilt, verfremdet, im falschen Kontext wieder gegeben. Man verliert die Kontrolle seiner vielleicht doch eher privat gedachten Bilder. Zudem räumen viele der Sozialen Netzwerke noch ein Nutzungsrecht, der auf Ihrer Platform veröffentlichten Bilder ein. 

Die in jeder Lebenssituation griffbereite Kamera beschert uns auch immer wieder mit alternativen Perspektiven der Berichterstattung von z.B. Nachrichten. Ob fake oder nicht, wird zunehmend schwerer auseinander zu halten. 

Vom Voyeurismus

Als laienhafter aber dennoch ambitionierter Fotograf mit null Ahnung, habe ich natürlich auch stets eine Kamera dabei um keine Gelegenheit zu verpassen, den besonderen Moment einzufangen.

Nein, ich will nicht fotografiert werden

Wenn dies Personen mit einschließt, z.B. auf einer Geburtstagsparty, ist die positive Resonanz meist eher verhalten. Bis auf wenige geübte Selbstdarsteller, wenden sich die meisten Leute mit einem entnervtem Gesichtsausdruck von einem ab, oder halten sich das nächst greifbare Objekt vor das Gesicht. – „geh weg, ich will nicht fotografiert werden“. –  Das muss man dann halt auch respektieren.

Beim späteren betrachten der Fotos, sind es dann ironischer Weise genau die Leute, die die Fotos zugeschickt bekommen wollen. Denn Fotos sind auch Erinnerungen und an schöne Momente erinnert man sich zumeist gerne.

Man wird zum Beobachter

Wenn Menschen im Spiel sind, versuche ich mich meist im Hintergrund zu halten. Man wird selber zum Beobachter und sucht stetig nach neuen Motiven, Situationen, die es würdig sind festzuhalten. Ohne selber am Geschehen einzuwirken. Denn ich suche die Gelegenheit die Momente unbemerkt und möglichst un-gestellt fest zu halten.

Es sind dann nicht nur die Situationen auf einer Party von Freunden. Es ist eigentlich immer präsent, wenn ich mit der intention zu fotografieren unterwegs bin. Im Park, auf der Straße, etc…. Man entwickelt so einen komischen Blick. Wie als wenn man ständig durch den Sucher der Kamera schaut.

Dann wird man zum Voyeur. Das fühlt sich manchmal komisch an. Fast unmoralisch. Wenn man die sich unbeobachtet gefühlten Menschen anfängt zu scannen. Gestik und Haltung zu beobachten. Ihnen anfängt eine Persönlichkeit über zu stülpen, ohne das man mit Ihnen je ein Wort gewechselt hat. Alles dafür, um für den perfekten Moment bereit zu sein.

Fremde, also jetzt nicht die z.B. auf einer Feier, versuche ich möglichst so zu fotografieren, dass die Gesichter nicht klar zu erkennen sind. Zumindest wenn ich das Bild auf irgendeiner Weise öffentlich machen möchte. – Ausnahmen sind natürlich, wenn ich ein Einverständnis erhalte. – Am besten schriftlich.

Fotografierte Scene im Park. Unbekannte Personen.

Überhaupt Personen zu fotografieren ist in der heutigen Zeit, einfach immer schwerer. Sicher auch zurecht, bedenkt man wie die Bilder heutzutage inflationär durch alle Kanäle gepustet werden. Regelungen wie das „Recht am eigenen Bild“, die „DSGVO“, etc…, haben durchaus in der heutigen Zeit ihre Berechtigung. Auch wenn man sich manchmal in seiner Kreativität völlig ausgebremst fühlt.

Vom Exhibitionismus

Von 100 Bildern einer Foto-Session habe ich mit etwas Glück  eins gefunden, welches ich ganz besonders gut getroffen finde.

Solche Fotos lösen bei mir etwas aus. Echter Schöpfer-Stolz in der reinsten Form. Zum Leid meiner Frau und Freunden. Ich bin stolz wie ein Schneekönig und habe das Bedürfnis die ganze Welt an meinem Schöpfung teil haben zu lassen. Dabei werde ich nicht müde es jedem zu zeigen, der oder die es nicht sehen will. Natürlich nicht ohne eine ausführliche Beschreibung der angewandten Technik. Meine Gegenüber nicken höflich. Das reicht.

Enter the Social Networks

Was für eine Erfindung. Hier kann man alles veröffentlichen, egal ob es jemand interessiert oder nicht für die „15 seconds of fame“. Die Welt ist eine Bühne und dabei bleibt man schön anonym. Nur für den Fall das es peinlich werden sollte.

Auch wenn ich ansonsten nicht großartig „Social Network“ affine bin, kommen mir solche Netzwerke bei meinen eigenen Kreationen gelegen. Denn ich bin Exhibitionist. Ob Facebook, Instagram, Twitter, Heise c´t Fotografie Foto-Club oder 500px. Ein „like“ ist Bestätigung und schmeichelt die Seele. Es motiviert vielleicht etwas noch besseres zu kreieren, für noch mehr Bestätigung. Machen Bestätigungen süchtig? Ich glaube zum gewissen Teil schon. Aber ich denke Kunstformen wie z.B. Musik oder Fotografie benötigen eine Audienz, ein Publikum welches vielleicht die Emotionen teilt.

Qualität statt Quantität

In meinem beschriebenen Schöpfer-Stolz möchte ich am besten sofort alles teilen. Dann versuche ich mich zu zügeln und rate mir, Schlaf erst einmal eine Nacht drüber. Wenn es morgen immer noch so toll und wichtig ist, hau es in den Äther des Internets. Das funktioniert leider nicht immer. Ich bin tendenziell recht ungeduldig. 

In meiner Timeline auf Facebook, insbesondere seit der Algorithmus geändert wurde kommt ohnehin fast nur noch ein sich wiederholender Mist. Wenn ich dann noch in meiner Freundesliste Leute habe, die nicht müde werden irgendwelche fake Gewinnspiele, Memes, oder politischen Scheiß ohne diesen zu hinterfragen posten. Dann werde ich genervt. Im schlimmsten Fall werden diese kurzerhand entfreundet. Mich interessieren diese Dinge einfach nicht und ich habe eine andere Perspektive.

Ich finde es aber kurzweilig, wenn ich morgens beim Kaffee (meist die einzige Zeit wenn ich mal in Facebook reinschaue) aus meiner Freundesliste wieder Geschichten des Alltags lese. Das macht meine ohnehin schon langweilige Timeline etwas bunter. 

Also wie kann ich erwarten das wenn ich meine, immerhin selbstgemachten Bildchen poste, dass das Gegenüber, am besten schon seit Tagen, heiß darauf wartet einer meiner neusten Kreationen zu Gesicht zu bekommen? Ich glaube gar nicht. Ich freue mich über jede Zustimmung. Aber ich glaube nur ein Bruchteil des Publikums teilt meine Interessen. 

Also sollte man vielleicht darauf achten, nicht mehrfach am Tag oder in der Woche, mittelmäßige Bilder zu posten. Lieber wenige, dafür aber gute Bilder. Dann haben die wenigen guten Bilder auch eine Chance aufzufallen, anstatt an Übersättigung und Desinteresse unterzugehen.

Anders ist es vielleicht auf Plattformen, die die gleiche Interesse teilen. Hier können auch schlechte Werke durch konstruktive Kritik der Anderen, einem helfen besser zu werden. Aber dafür ist es ja auch eine Interessen-Gemeinschaft.

Am Ende bin ich Voyeur und Exhibitionist

Um mein Verlangen zur Selbstdarstellung zu befriedigen, habe ich mir diesen kleinen Blog gebaut. Hier kann ich meinen geistigen Erguss und Bilder freien lauf lassen, ohne den anderen damit auf den Nerv zu gehen. Na ja, größtenteils funktioniert das vielleicht. – Danke an die Geduld meiner Frau. Das gute mit so einem persönlichen Blog, es befriedigt nicht nur das Bedürfnis an Exhibitionismus, es ensteht über die Zeit auch ein gesammeltes Werk, an dem man über Zeit auch seine Entwicklung verfolgen kann.

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